Bei mehrstufigen Zufallsexperimenten betrachten wir mehrere Experimente nach einander. Schauen wir uns ein erstes Beispiel an: 

Beispiel

Ein Spieler trifft den Teil der Dartscheibe, der Punkte gibt, mit 80% Wahrscheinlichkeit. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass er dann den Kreissektor 20 trifft? Die Dartscheibe hat 20 gleich grosse Kreissektoren. Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass alle Sektoren gleich wahrscheinlich getroffen werden können.


Um diese Frage zu beantworten, zeichnen wir einen Ereignisbaum. Die erste Frage ist: “Trifft er den Teil der Scheibe, der Punkte gibt oder nicht?”. Wir haben dafür zwei mögliche Pfade. Der erste Pfad steht für den Fall, dass dieser Teil der Scheibe getroffen wird. Die Wahrscheinlichkeit dieses Pfads ist 80% oder als Bruch ausgedrückt: \(\frac{4}{5}\). Der zweite Pfad steht für den Fall, dass er daneben schiesst. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist 20% bzw. \(\frac{1}{5}\).

Wenn er nicht getroffen hat, müssen wir uns nicht fragen, ob er im richtigen Kreissektor ist. Die Sache ist dann schon gelaufen. Wenn er aber den relevanten Teil der Scheibe getroffen hat, besteht die Möglichkeit, dass er sogar den richtigen Kreissektor getroffen hat. Da wir 20 gleichwahrscheinliche Kreissektoren haben, teilen sich diese Sektoren die Treffer unter einander auf, d.h. die Wahrscheinlichkeit einen bestimmten Sektor zu treffen, ist \(\frac{1}{20}\).

Die Wahrscheinlichkeit den Kreissektor 20 zu treffen ist nur \(\frac{1}{20}\) aller Fälle, in welchen der punktgebende Teil der Scheibe auch getroffen wird. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber nicht 100%, sondern 80%, d.h. die Wahrscheinlichkeit, den Kreissektor 20 zu treffen ist \(\frac{1}{20}\) von 80% und wir rechnen das, indem wir die beiden Zahlen miteinander multiplizieren:

\[ P(E_{20}) = \frac{4}{5} \cdot \frac{1}{20} = \underline{\frac{4}{100} = 4\%} \]

Pfadregel: Die Wahrscheinlichkeit eines Elementarereignisses am Ende eines Astes ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeiten der Pfade, die zu ihm führen.

Beispiel

Wir nehmen wieder die Urne mit 8 Kugeln (5 grüne, 2 blaue und 1 rote). Was ist die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis \(A\), in drei Zügen sämtliche nicht-grünen Kugeln zu ziehen? Zeichne einen Ereignisbaum und ermittle so die Wahrscheinlichkeit \(P(A)\)?


Es handelt sich um ein mehrstufiges Zufallsexperiment, denn wir ziehen dreimal hinter einander. Das Ereignis \(A\) kann auf drei Arten entstehen, d.h. das Ereignis \(A\) hat drei Elementarereignisse, z.B. \(\{BBR\}\) für das Ziehen der Reihenfolge blau, blau, rot:

\[ A = \Big\{ \{BBR\}, \; \{BRB\}, \; \{RBB\} \Big\} \]

Nun konstruieren wir den Ereignisbaum. Für den ersten Zug gibt es 8 Kugeln und 3 mögliche Farben. Wir könnten die 8 Pfade zeichnen, aber 5 davon führen zum Scheitern des Experiments. Wir zeichnen deshalb den vereinfachten Baum mit nur 3 Ästen für die drei Farben. Die Wahrscheinlichkeiten sind bereits schon zusammengefasst: \(\frac{5}{8}\) für G, \(\frac{2}{8}\) für B und \(\frac{1}{8}\) für R. Die Summe dieser drei Äste muss 1 ergeben und das tut sie auch. Den grünen Ast verfolgen wir nicht weiter, weil ab hier das Experiment abgebrochen wird.

Wenn wir eine der beiden blauen Kugeln gezogen haben, gibt es jetzt noch 7 Kugeln (5 grüne, 1 blaue und 1 rote). Wir haben für den zweiten Zug wieder drei mögliche Farben mit den Wahrscheinlichkeiten \(\frac{1}{7}\) pro Kugel. Wir tragen die Wahrscheinlichkeiten in den Ereignisbaum ein und vergewissern uns, dass die Summe wieder 1 ist.

Nun betrachten wir den Fall, in welchem wir die rote Kugel als Erstes gezogen haben. Für den zweiten Zug steht die Farbe rot somit nicht mehr zur Verfügung. Wir haben für den zweiten Zug noch 5 grüne und 2 blaue Kugeln zur Verfügung. Entsprechend zeichnen wir die Pfade mit ihren Wahrscheinlichkeiten und überprüfen immer, ob die Summe der Wahrscheinlichkeiten 1 ergibt.

Auf diese Weise entsteht der ganze Ereignisbaum:

Zum Schluss schauen wir uns die drei Ereignisse an, die zum Treffer führen. Es sind dies die Reihenfolgen \(\{BBR\}\), \(\{BRB\}\) und \(\{RBB\}\). Die Wahrscheinlichkeiten dieser drei Trefferpfade ist das Produkt der Wahrscheinlichkeiten auf den Pfaden:

\[ P(\{BBR\}) = \frac{2}{8} \cdot \frac{1}{7} \cdot \frac{1}{6} = \frac{2}{336} \]

\[ P(\{BRB\}) = \frac{2}{8} \cdot \frac{1}{7} \cdot \frac{1}{6} = \frac{2}{336} \]

\[ P(\{RBB\}) = \frac{1}{8} \cdot \frac{2}{7} \cdot \frac{1}{6} = \frac{2}{336} \]

Da diese drei Elementarereignisse zum Trefferereignis \(A\) gehören, summieren wir die drei Wahrscheinlichkeiten und erhalten so die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(A\):

\[ P(A) = \frac{2}{336} + \frac{2}{336} + \frac{2}{336} = \frac{6}{336} = \underline{\frac{1}{56} \approx 1.79\%} \]

Autor dieses Artikels:

David John Brunner

Lehrer für Physik und Mathematik | Mehr erfahren

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