Die folgenden Bewegungsgleichungen gelten für gleichmässig beschleunigte Bewegungen, d.h. Bewegungen mit einer konstanten Beschleunigung. Dazu gehören auch die Spezialfälle mit verschwindender Beschleunigung(\(a=0\)), d.h. mit konstanter Geschwindigkeit und wiederum den Spezialfall eines Systems in Ruhe(\(v=0\)) (verschwindende Geschwindigkeit).
\[ s_1 = s_0 + v_0 \Delta t + \frac{1}{2} a \Delta t^2 \qquad \text{(1)} \]
\[ s_1 = s_0 + \frac{1}{2} (v_0 + v_1) \Delta t \qquad \text{(2)} \]
\[ v_1 = v_0 + a \Delta t \qquad \text{(3)} \]
\[ v_1^2 = v_0^2 + 2 a \Delta s \qquad \text{(4)} \]
Die Indizes 0 und 1 vergleichen zwei Zustände. Meist 0 für “vorher” und 1 für “nachher”. Die Differenzen sind entsprechend:
\[ \Delta t = t_1 – t_0 \]
\[ \Delta s = s_1 – s_0 \]
\[ \Delta v = v_1 – v_0 \]
Anwendung der Bewegungsgleichungen
Die Bewegungsgleichungen sind unter einander gleichwertig. Sie werden entsprechend den vorhandenen Grössen eingesetzt, d.h. man sollte zuerst sich vergewissern, welche Grössen durch die Aufgabenstellung gegeben sind und danach die passende Bewegungsgleichung anwenden, mit welcher sich eine Gleichung mit nur einer Unbekannten aufstellen lässt.
Beispiel
Ein Motorrad beschleunigt in 5 s von 36 km/h auf 108 km/h.
Wie lange ist die Beschleunigungsstrecke?
Wir stellen zuerst die Liste der gegebenen und gesuchten Grössen auf:
gegeben: \(\Delta t = 5 \;\text{s}, \quad v_0 = 36 \;\text{km/h}, \quad v_1 = 108 \;\text{km/h}\)
gesucht: \(\Delta s\)
Wir sehen, dass Bewegungsgleichung (4) am besten passen würde. Allerdings haben wir die Beschleunigung \(a\) nicht, so dass wir mit einer Gleichung zwei Unbekannte haben. Wir brauchen deshalb eine zweite Gleichung.
Nun ist die unbekannte Beschleunigung \(a\) definiert als
\[ a = \frac{\Delta v}{\Delta t} \]
Da wir beide Geschwindigkeiten haben, haben wir auch deren Differenz \(\Delta v = v_1 – v_0\) und somit können wir \(a\) berechnen:
\[ a = \frac{v_1 – v_0}{\Delta t} = \frac{\frac{108}{3.6}\frac{\text{m}}{\text{s}} – \frac{36}{3.6}\frac{\text{m}}{\text{s}}}{5\;\text{s}} = \frac{(30 – 10) \frac{\text{m}}{\text{s}}}{5\;\text{s}} = 4 \;\frac{\text{m}}{\text{s}^2} \]
Jetzt haben wir mit der Bewegungsgleichung (4) alles, was wir brauchen, denn sie enthält unsere gesuchte Grösse. Die anderen Grössen haben wir ja alle. Wir lösen sie nach \(\Delta s\) auf, indem wir \(v_0^2\) subtrahieren und durch \(2a\) teilen:
\[ \Delta s = \frac{v_1^2 – v_0^2}{2a} \]
Jetzt müssen wir nur noch die Grössen einsetzen:
\[ \Delta s = \frac{(30\;\frac{\text{m}}{\text{s}})^2 – (10\;\frac{\text{m}}{\text{s}})^2}{2 \cdot 4 \;\frac{\text{m}}{\text{s}^2}} = \frac{900 – 100}{8}\;\frac{\frac{\text{m}^2}{\text{s}^2}}{\frac{\text{m}}{\text{s}^2}} = 100\;\text{m} \]
“Kochrezept”
- Alle Grössen aufschreiben, die gegeben sind, eventuell eine Skizze machen (meistens sind \(s_0\) und \(v_0\) indirekt gegeben)
- Was ist die gesuchte Grösse?
- Welche Bewegungsgleichung passt?(Habe ich nur eine Unbekannte, nämlich die gesuchte Grösse?)
- Bewegungsgleichung nach der gesuchten Grösse auflösen
- Einsetzen, Ausrechnen, Einheiten nicht vergessen(Entspricht die Einheit der Aufgabenstellung?)
Beachte, dass in vielen Textaufgaben gewisse Angaben in Textform versteckt sind. Beispielsweise bedeutet “…aus der Ruhe heraus” die Angabe \(v_0=0\).
Verwendung der mittleren Geschwindigkeit
Wenn Beschleunigung vorkommt, verändert sich die Geschwindigkeit. Wenn aber die Geschwindigkeit sich verändert, können wir nicht mehr einfach \(\Delta s = v \cdot \Delta t\) rechnen, denn \(v = v(t)\) ist nicht mehr eine Konstante.
Man kann diese Problematik grafisch zeigen. Im Diagramm links ist der Verlauf der Geschwindigkeit für das Motorrad aus dem obigen Beispiel aufgezeichnet. Das Motorrad beschleunigt gleichmässig in 5 s von 10 m/s auf 30 m/s.
Wir wissen, dass die gefahrene Strecke in einem v,t-Diagramm als Fläche abgelesen werden kann. Die Fläche ist ein Trapez und kann deshalb nicht als Produkt \(\Delta s = v \cdot \Delta t\) berechnet werden. Wir können die Fläche aber vereinfachen, indem wir die mittlere Geschwindigkeit \(\overline{v}\) einführen. Sie kann stellvertretend für die variierende Geschwindigkeit \(v(t)\) eingesetzt werden und jetzt können wir für die Fläche tatsächlich schreiben:
\[ \Delta s = \overline{v} \cdot \Delta t = 20 \;\frac{\text{m}}{\text{s}} \cdot 5\;\text{s} = 100\;\text{m} \]
Im Diagramm rechts wurde \(\overline{v}\) so gesetzt, dass die Rechteckfläche der Trapezfläche entspricht. In beiden Fällen ist die Fläche ja gleich der gefahrenen Strecke und die sollte ja auf jeden Fall gleich bleiben. In diesem einfachen Beispiel ist die mittlere Geschwindigkeit natürlich genau in der Mitte zwischen 10 m/s und 30 m/s, also 20 m/s.
Wenn wir die Bewegungsgleichungen verwenden, berechnen wir (ohne zu wissen) die Trapezfläche und wir kriegen das richtige Resultat. Ansonsten müssen wir zuerst die mittlere Geschwindigkeit berechnen und können dann wie gewohnt mit \(\Delta s = \overline{v} \cdot \Delta t\) weiterfahren, denn die mittlere Geschwindigkeit bleibt konstant.
Herleitung der Bewegungsgleichung (1)
Wir stellen eine Formel für die Berechnung der Trapezfläche auf. Wir behandeln sie als eine Rechteckfläche mit Höhe \(v_0\) und einem rechtwinkligen Dreieck mit Höhe \((v_1-v_0)\). Beide haben die Breite \(\Delta t\). Die Fläche im v,t-Diagramm entspricht der in der Zeit \(\Delta t\) gefahrenen Strecke \(\Delta s\). somit stellen wir die Gleichung auf:
\[ \Delta s = (v_0 \cdot \Delta t) \;\; + \;\; \Bigl ( \frac{1}{2} \cdot (v_1 – v_0) \cdot \Delta t \Bigr ) \]
Wir können die Differenz der Geschwindigkeiten noch mit \(\Delta v\) ersetzen und erhalten so:
\[ \Delta s = v_0 \Delta t + \frac{1}{2} \Delta v \Delta t \]
Wir benutzen jetzt die Definition der Beschleunigung \(a = \frac{\Delta v}{\Delta t}\) und lösen nach \(\Delta v\) auf. Wir kriegen \(\Delta v = a \cdot \Delta t\) und setzen das oben ein. Ausserdem ersetzen wir \(\Delta s = s_1 – s_0\).
\[ s_1 – s_0 = v_0 \Delta t + \frac{1}{2} a \Delta t^2 \]
Jetzt addieren wir nur noch die Gleichung mit \(s_0\) und erhalten die Bewegungsgleichung (1):
\[ s_1 = s_0 + v_0 \Delta t + \frac{1}{2} a \Delta t^2 \qquad \text{(1)} \]
Wir sehen damit, dass die Bewegungsgleichung nichts anderes ist, als die korrekte Berechnung der Fläche im v,t-Diagramm unter Berücksichtigung der linear zunehmenden Geschwindigkeit \(v=v(t)\).
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