Die Eulersche Zahl \(e\) wurde von Leonhard Euler (1707 – 1783), Schweizer Mathematiker, Physiker, Astronom und Geograph entdeckt. Für Exponential- und Logarithmusfunktionen ist \(e\) die natürlichste Wahl als Basis, weshalb wir sie hier einführen. Wir werden sie vor allem in der Differential- und Integralrechnung wieder brauchen, wo diese “Natürlichkeit” uns das Leben einfacher machen wird.

Die Eulersche Zahl ist die natürliche Basis für Exponential- und Logarithmusfunktionen.

\[ e \approx 2.71818… \in \mathbb{R} \]

Die Zahl \(e\) ist eine irrationale Zahl wie \(\pi\) und \(\sqrt{2}\), d.h. sie kann nicht als Bruch ausgedrückt werden und sie hat eigentlich unendlich viele Nachkommastellen.

Im Gegensatz zu anderen wichtigen Zahlen der Mathematik, wie \(\pi\), \(\phi\) (goldener Schnitt) oder \(\sqrt{2}\), kann die Eulersche Zahl nicht geometrisch erklärt oder veranschaulicht werden.

Euler benutzte diese Zahl und das Symbol \(e\) schon im Jahr 1731. Warum er gerade \(e\) wählte, ist nicht bekannt. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass er die Zahl nach sich benannte. Euler schaffte es die Frage zu beantworten, die sich sein Zeitgenosse und Freund Daniel Bernoulli (1700 – 1782), ebenfalls Schweizer Mathematiker und Physiker, gestellt hatte. Bernoulli untersuchte die Zinseszinsrechnungen und folgte daraus, dass \(e\) zwischen 2 und 3 sein müsste. 

Um die Überlegungen von Bernoulli und Euler zu verstehen, machen wir ein kleines einfaches Gedankenexperiment: Angenommen eine sehr grosszügige Bank zahlt \(z =\;\) 100% Zins pro Jahr. Was wird aus einem auf der Bank investierten Franken nach einem Jahr? Wir erinnern uns an die Formel für den Zins aus dem Kapitel über das exponentielle Wachstum:

\[ K(1) = K_0 \cdot (1+z) = 1 \cdot (1+1) = 1 \cdot 2 = \underline{2} \]

Was würde passieren, wenn die Bank den gleichen Zins nicht einmal pro Jahr, sondern halbjährlich berechnen und auszahlen würde? Natürlich beträgt der Zins nur noch 50% bzw. \(\frac{100}{2}\)% pro Halbjahr. Die Rechnung für das Kapital nach einem Jahr wäre:

\[ K(\frac{1}{2}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{2}) = 1 \cdot (1+0.5) = 1 \cdot 1.5 = 1.5 \]

\[ K(1) = K(\frac{1}{2}) \cdot (1+\frac{z}{2}) = 1.5 \cdot 1.5 = \underline{2.25} \]

Aus unserem Franken ist jetzt mehr geworden! Der Grund liegt darin, dass wir nach einem Halbjahr bereits Zins erhalten haben und im zweiten Halbjahr der Zins auf dieses bereits vergrösserte Kapital berechnet wird. Wir haben den ersten Zinseszins-Effekt!

Im ersten halben Jahr verpassen wir aber den Zinseszins-Effekt. Deshalb verlangen wir von der Bank, dass sie die Zinsen doch bitte monatlich abrechnen möge (wie gesagt: ein reines Gedankenexperiment!). Die Bank rechnet den Monatszins, der nur noch ein Zwölftel des Jahreszinses ist, zahlt ihn aber Ende Monat aus:

\[ K(\frac{1}{12}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{12}) = 1 \cdot (1+\frac{1}{12}) \]

\[ K(\frac{2}{12}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{12})^2 \]

\[ K(\frac{3}{12}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{12})^3 \]

\[ \vdots \]

\[ K(1) = K(\frac{12}{12}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{12})^{12} \approx \underline{2.61} \]

Tatsächlich noch besser! Wir überspringen den wöchentlichen Zins und verlangen gleich den täglichen Zins:

\[ K(1) = K(\frac{365}{365}) = K_0 \cdot (1+\frac{z}{365})^{365} \approx \underline{2.7146} \]

Wir verstehen: Je kürzer die Zeitabstände, desto mehr Geld gibt es. Euler fand heraus, dass die maximal mögliche Zahl für die unendlich kurzen Abstände eben gerade \(e\) ist, d.h. wir nehmen die gleiche Formel und machen aus den 365 Teilen eben \(n\) Teile, wobei wir \(n\) gegen Unendlich laufen lassen:

\[ e = \Big( 1 + \frac{1}{365} \Big)^{365} \quad \rightarrow \quad e = \lim_{n \rightarrow \infty} \Big( 1 + \frac{1}{n} \Big)^n \]

Euler fand noch eine weitere Berechnungsmöglichkeit. Wir verzichten auf die Diskussion der folgenden Formel, sondern nehmen sie einfach zur Kenntnis:

\[ e = 1 + \frac{1}{1} + \frac{1}{1 \cdot 2} + \frac{1}{1 \cdot 2 \cdot 3} + \frac{1}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4} + … + \frac{1}{k!} + … \]

Dabei enthalten die Nenner der Brüche sog. Fakultäten. Das sind die Produkt von 1 bis zu dieser Zahl, also z.B. \(4! = 1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4\), wobei im speziellen gilt: \(0! = 1\)

\[ e = \frac{1}{0!} + \frac{1}{1!} + \frac{1}{2!} + \frac{1}{3!} + \frac{1}{4!} + … + \frac{1}{k!} + … \]

Berechnung der Eulerschen Zahl:

\[ e = \lim_{n \rightarrow \infty} \Big( 1 + \frac{1}{n} \Big)^n \quad \quad \quad e = \sum_{k=0}^{\infty} \frac{1}{k!} \]

Mit Hilfe solcher Berechnungen schaffte es Euler die Zahl \(e\) auf 18 Stellen nach dem Komma zu bestimmen:

\[ e = 2.718’281’828’459’045’235… \]

Das ist die wohl beste Illustration der Zahl \(e\). In der obigen Grafik sehen wir sehr schön, wie das Kapital bei einem Jahreszins ein ganzes Jahr brach liegt (grüner Verlauf). Je öfters wir den Zins auszahlen lassen, desto höher ist das Endresultat. Das beste Resultat ist \(e\) und für unendlich kleine “Treppenstufen” (oranger Verlauf). Von hier weg, werden wir \(e\) einfach als Zahl benützen und werden später erkennen, dass sie den Zusammenhang mit der Exponentialfunktion, die “natürlichste Basis” ist.

Um die Natürlichkeit der Exponentialfunktion mit Basis \(e\) zu zeigen, wagen wir einen kleinen Ausblick in die Differential- und Integralrechnung. Die natürliche Exponentialfunktion \(f(x)=e^x\) hat, wie wir es schon wissen, den Funktionswert \(e\) für \(x=1\). Es ist die Höhe der Kurve an dieser Stelle. Zudem entspricht aber auch die Steigung in diesem Punkt der Zahl \(e\) und sogar die Fläche unter der Kurve, von \(x \rightarrow -\infty\) bis \(x=1\) der Zahl \(e\).

Nur die natürliche Exponentialfunktion hat diese erstaunlichen Eigenschaften. Übrigens gilt das nicht nur an der Stelle \(x=1\), sondern an jeder Stelle, z.B. hat die Kurve in \(x=0\) die Höhe \(e^0=1\), die Steigung \(1\) und die Fläche \(1\). An der Stelle \(x=2\) hat sie die Höhe \(e^2\), die Steigung \(e^2\) und die Fläche \(e^2\) etc.

Die natürliche Exponentialfunktion hat die Zahl \(e\) als Basis:

\[ f(x) = e^x \]

Beachte, dass jede Exponentialfunktion mit einer anderen Basis \(a \neq e\) als Abwandlung der natürlichen Exponentialfunktion ausgedrückt werden kann, denn für jede beliebige und zulässige Basis \(a \in \mathbb{R}^+\) und \(a \neq 1\) gibt es ein \(b\), so dass…

\[ a = e^b \]

\[ a^x = \big( e^b \big)^x = e^{b \cdot x} \]

Jetzt können wir \((bx)\) als neues Argument unserer Funktion betrachten. Wir führen deshalb das modifizierte neue Argument \(y\) ein:

\[ y = bx \]

Wir setzen es oben ein und erhalten die natürliche Exponentialfunktion:

\[ a^x = e^y \]

Was ich damit sagen will: Jede Exponentialfunktion ist eigentlich eine natürliche Exponentialfunktion, wenn wir ihr Argument etwas anpassen. Dieses Anpassen ist eigentlich nichts anderes als ein Strecken und Stauchen in horizontaler Richtung.

Berechnung der Eulerschen Zahl mit einer Reihe

Die folgende unendliche Summe ergibt ein ganz spezielles Resultat

\[ \sum_{k=1}^{\infty} \frac{1}{k!} \quad = \quad \frac{1}{1!} + \frac{1}{2!} + \frac{1}{3!} + \frac{1}{4!} + \frac{1}{5!} + … \]

\[ = \frac{1}{1} + \frac{1}{1 \cdot 2} + \frac{1}{1 \cdot 2 \cdot 3} + \frac{1}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4} + \frac{1}{1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4 \cdot 5} + … \]

\[ = 1+ \frac{1}{2} + \frac{1}{6} + \frac{1}{24} + \frac{1}{120} + \frac{1}{720} + … \]

\[ = 2.718282 = e \]

Die unendliche Summe gibt uns die Eulersche Zahl \(e\).

Autor dieses Artikels:

David John Brunner

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