Wir starten mit der Gleichung \(x+1=2\) und formen sie um, dieses Mal dividieren wir nicht, sondern multiplizieren mit \((x+1)\):

    \[ (x+1) \cdot (x+1) \;\; = \;\; 2 \cdot (x+1) \]

    Wir multiplizieren beide Seiten aus und erhalten:

    \[ x^2 + 2x + 1 \;\; = \;\; 2x + 2 \]

    Jetzt subtrahieren wir auf beiden Seiten \(2x\) und 2:

    \[ x^2 – 1 \quad = \quad 0 \]

    \[ x^2 = 1 \]

    Die Gleichung \(x^2=1\) hat zwei Lösungen, denn \(1^2 = 1\) und \((-1)^2 = 1\), d.h. 1 und (-1) erfüllen beide die Gleichung

    \[ \boldsymbol{L} = \Bigl \{1, -1 \Bigr \} \]

    Wir wissen aber, dass die ursprüngliche Gleichung nur eine Lösung hatte, nämlich \(x=1\). Durch die Multiplikation mit \((x+1)\) haben wir eine zusätzliche Scheinlösung “gewonnen”. Die Umformung war eine Gewinnumformung.

    Wenn wir mit \((x+1)\) multiplizieren und \(x=(-1)\), dann multiplizieren wir mit null. Das Dividieren durch null ist verboten, da das Resultat der Division nicht definiert ist. Das Multiplizieren mit null ist keineswegs verboten, jedoch führt eine Multiplikation einer Gleichung auf beiden Seiten mit null automatisch zur Gleichung \(0 = 0\). Die Gleichung ist zwar erfüllt, aber wir haben jegliche Information verloren!

    Das ist genau, was passiert ist, als wir mit \((x+1)\) multipliziert haben. Für \(x=(-1)\) haben wir mit null multipliziert und somit die Gleichung “erfüllt”. Daraus haben wir dann fälschlicherweise geschlossen, dass \(x=(-1)\) eine Lösung sein muss, da dieser Wert die Gleichung erfüllt. Es war aber nur eine Scheinlösung. Hätten wir mit z.B. \((x-3)\) multipliziert, hätten wir \(x=3\) als Scheinlösung “gewonnen” etc.

    Eine Gewinnumformung vergrössert die Lösungsmenge, indem sie zusätzliche Scheinlösungen einführt, z.B. durch eine Multiplikation auf beiden Seiten mit null.

    Um die korrekte Lösungsmenge \(\boldsymbol{L}\) zu bestimmen, müssen Scheinlösungen durch Einsetzen in die ursprüngliche Gleichung entlarvt werden. 

    Beispiel

    Was ist die Lösungsmenge von \(x^2=-9\)?


    Als Erstes erinnern wir uns an die Bindungsstärke von Potenzen. Die Gleichung muss folgendermassen gelesen werden:

    \[ x^2=-(3^2) \]

    Links haben wir ein Quadrat von einer unbekannten Grösse. Wir wissen nur, dass das Quadrat null oder eine positive Zahl sein kann. Ein negatives Quadrat ist nicht möglich! Rechts ist aber zwingendermassen negativ. Die Lösungsmenge ist leer:

    \[ \boldsymbol{L}=\Bigl \{\,\,\Bigr \} \]

    Hätten wir die Gleichung beidseitig quadriert, so hätten wir erhalten:

    \[ x^4=81 \]

    Die Lösungsmenge davon wäre:

    \[ \boldsymbol{L}=\Bigl \{3, -3 \Bigr \} \]

    Wir überprüfen die Lösungen und setzen \(x=3\) und \(x=-3\) in die ursprüngliche Gleichung ein:

    \[ \require{cancel} \cancel{3^2 = -9} \quad \text{und} \quad \cancel{(-3)^2 = -9} \]

    Beide Lösungen erfüllen die Gleichung nicht! Es sind beides Scheinlösungen. Das Quadrieren der Gleichung war eine Gewinnumformung.

    Feedback

    Post Feedback Form

    Autor dieses Artikels:

    David John Brunner

    Lehrer für Physik und Mathematik | Mehr erfahren

    publiziert:

    überarbeitet:

    publiziert:

    überarbeitet:

    Frage oder Kommentar?

    Frage/Kommentar?

    Schreib deine Frage / Kommentar hier unten rein. Ich werde sie beantworten.

    Schreibe einen Kommentar