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Das Wichtigste in Kürze
Summieren wir alle Drehmomente, die auf ein System oder einen Gegenstand wirken, erhalten wir das resultierende Drehmoment \(\vec{M}_{res}\). Wenn dieses resultierende Drehmoment verschwindet, haben wir den speziellen Fall des Drehmomentgleichgewichts, in welchem sich alle wirkenden Drehmomente in Summe aufheben:
\[ \vec{M}_{res} = 0 \]
Da Drehmomente die Wirkung haben, die Winkelgeschwindigkeit zu verändern, z.B. eine Kreis- oder Kippbewegung zu erzeugen, bedeutet
\[ \vec{M}_{res} = 0 \quad \Leftrightarrow \quad \omega = \text{konstant} \]
Die Winkelgeschwindigkeit \(\omega\) bleibt konstant, d.h. wenn sie null ist, bleibt sie null. In der Statik (Berechnung von Gebäuden, Brücken etc.) möchten wir sicherstellen, dass das System sich nicht bewegt und auch nicht zu kippen beginnt. Das Drehmomentgleichgewicht ist deshalb eine wichtige Voraussetzung, zusätzlich zum Kräftegleichgewicht.
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Zusätzliches Kriterium zum Kräftegleichgewicht
In der Statik geht es darum, mechanische Systeme zu beschreiben oder zu berechnen. Es handelt sich, im Gegensatz zur Dynamik um Systeme, die sich nicht bewegen, wie z.B. Gebäude, Brücken, Türme etc.
Das Drehmoment ist hier eine wichtige Ergänzung zur Kraft, wie am Beispiel eines an der Tischkante kippenden Würfels gezeigt wird.

Betrachten wir die drei Situationen, die oben abgebildet sind, so erkennen wir zwei stabile Situationen (links und mitte) und die rechte (instabile) Situation, in welcher der Würfel von der Tischkante herunterfallen wird.
Mit dem Kräftegleichgewicht allein, können wir diese Instabilität nicht voraussagen. Wir erinnern uns, dass die Gewichts- und die Normalkraft vom Betrag her, gleich sein müssen: \(F_G = F_N\). Deshalb haben die drei Situationen eine verschwindende resultierende Kraft \(F_{res}\).
Gemäss Newtons Erstem Gesetz dürften die Würfel in allen drei Situationen keine Beschleunigung erfahren, sondern müssten in Ruhe bleiben. Das stimmt nur links und in der Mitte, jedoch nicht im Fall rechts.
Wir erkennen allerdings einen Unterschied: Die Wirkungslinien der Gewichts- und Normalkraft sind gleich, ausser in der instabilen Situation rechts.

Wir betrachten nun das Drehmoment der beiden Kräfte und wählen dazu den Punkt \(A\) an der linken unteren Kante.
In den ersten beiden Situationen (links und Mitte) haben wir einmal ein Drehmoment \(M_G\) aufgrund der Gewichtskraft. \(M_G\) im Uhrzeigersinn. Das Drehmoment der Normalkraft ist vom Betrag her gleich gross, da die Kraft gleich stark ist und der Abstand \(a\) auch gleich ist. Die Richtung ist jedoch umgekehrt: Gegenuhrzeigersinn.
Wir addieren die beiden Drehmomente und erhalten für das resultierende Drehmoment: \(M_{res}=0\), da sich die beiden gleich grossen Drehmomente genau aufheben:
\[ \vec{M}_G + \vec{M}_N = \vec{0} \]
In der Situation rechts kommt der Ort der beiden Wirkungslinien zum Tragen. Die Gewichtskraft erzeugt wieder das Drehmoment \(M_G\) wie vorhin in den beiden anderen Situationen. Das Drehmoment der Normalkraft \(M_N\) ist dieses Mal aber verschwindend und hebt dadurch \(M_G\) nicht mehr auf. Wir erhalten ein resultierendes Drehmoment, das nicht mehr null ist: \(M_{res} = a \cdot F_G\).
Wenn wir analysieren wollen, ob ein System stabil ist, d.h. trotz der Kräfte nicht beschleunigt wird, sondern in Ruhe verbleibt, brauchen wir nicht nur das Kräftegleichgewicht mit der resultierenden Kraft \(F_{res}=0\) zu untersuchen, sondern auch das Drehmomentgleichgewicht mit dem resultierenden Drehmoment:
\[ M_{res} = 0 \]
Es wird dich vermutlich erstaunen, dass der Punkt \(A\) willkürlich gesetzt werden kann, wo doch jedes Drehmoment von ihm abhängig ist. Das möchten wir jetzt anschauen, indem wir dieses Mal einen anderen Punkt \(B\) wählen und wir trotzdem zu dem genau gleichen Ergebnis gelangen.

Wir setzen \(B\) so, dass wir in den ersten beiden Situationen keine Drehmomente erhalten. Die beiden resultierenden Drehmomente ergeben so auch null.
In der dritten Situation verschwindet dieses Mal das Drehmoment \(M_G\) der Gewichtskraft, da die Kraft durch den Punkt B geht. Dafür erhalten wir ein Drehmoment aufgrund der Normalkraft, das wir das letzte Mal nicht hatten. Für das resultierende Drehmoment in der Situation rechts erhalten wir wieder
\[M_{res} = a \cdot F_N \]
Auch die Richtung ist dieselbe: Uhrzeigersinn. Wir haben auch hier wieder das genau gleiche Resultat bekommen, wie für den Punkt \(A\). 😎
“Es kommt für das Resultat nicht darauf an, wo wir den Punkt setzen.”
Das Resultat ist immer das Gleiche. Nichtsdestotrotz gibt es praktischere und weniger praktische Orte für diesen Punkt. Der Punkt sollte deshalb geschickt gewählt werden.
Anwendung des Drehmomentgleichgewichts
In der Statik verlangen wir deshalb, dass ein ruhendes System durch Krafteinwirkung nicht beschleunigt wird (z.B. herunterfällt), sondern dass es in Ruhe ist und in Ruhe verbleibt. Mit Newtons Erstem Gesetz verlangen wir eine verschwindende resultierende Kraft \(\vec{F_{res}}=0\), d.h. Kräftegleichgewicht:
\[ F_{res}=0 \]
Zusätzlich verlangen wir aber auch ein verschwindendes resultierendes Drehmoment, dass das System nicht anfängt zu kippen, d.h. Drehmomentgleichgewicht:
\[ M_{res}=0 \]
Wenn das Kräfte- und das Drehmomentgleichgewicht in allen Richtungen gilt, ist das System statisch stabil, d.h. es wird nicht beschleunigt, weder translatorisch, noch rotativ.
Das gilt natürlich auch nur unter der Annahme, dass die Kräfte und Drehmomente vom Material ausgehalten werden. Ist das Material zu schwach, wird das System nachgeben.
Mit Hilfe des Kräfte- und Drehmomentgleichgewicht können Ingenieure und Architekten die Kräfte berechnen, mit welchen die zukünftige Konstruktion belastet sein wird und entsprechende Vorkehrungen treffen, so dass diese Kräfte vom gewählten Material auch sicher aufgenommen werden können.
Wir schauen uns das am Beispiel der Wurzel eines Urwaldbaumes an. Diese Wurzeln sind besonders gross und breit, was vor allem auch mechanische Gründe hat. 🌳

Welche Kräfte wirken am grossen Urwaldbaum, damit er trotz seitlicher Windkraft \(F_4\) in der Baumkrone stehen bleibt?

Wir wählen den Punkt \(A\) an der Wurzel und erhalten so das erste Drehmoment der Windkraft, wobei wir \(h\) für die mittlere Höhe annehmen, an welcher die Windkraft angreift:
\[ M_4 = h \cdot F \]

Das Drehmoment \(M_4\) zeigt in unserer Zeichnung im Gegenuhrzeigersinn. Wäre es das einzige Drehmoment, so wäre \(M_{res} = M_4\) und der Baum würde beim ersten Windstoss umfallen und zwar genau so: Im Gegenuhrzeigersinn.
Damit das nicht geschieht, braucht es ein Drehmoment, das dem Baum ein Drehmomentgleichgewicht gibt, d.h. \(M_{res} = 0\). Das zusätzliche Drehmoment muss genau gleich gross sein wie \(M_4\), aber entgegengesetzt in der Richtung.
“Wir können ein Drehmoment mit viel Kraft oder viel Abstand erreichen, d.h. mit viel Abstand wird die Kraft kleiner und das Material hält es besser aus.”
Betrachten wir die drei Kräfte, die an der Wurzel wirken: \(F_1\), \(F_2\) und \(F_3\). Einzig \(F_2\) kann dieses neue Drehmoment erzeugen. \(F_1\) und \(F_3\) können für den Punkt \(A\) kein Drehmoment erzeugen, da deren Wirkungslinien durch A führen. Die Wirkungslinie von \(F_2\) führt in einem Abstand \(b\) von A, der der Breite der Wurzel entspricht:
\[ M_2 = b \cdot F_2 \]
Das Drehmoment \(M_2\) zeigt im Uhrzeigersinn. Da \(b\) gegeben ist, muss der Betrag von \(F_2\) so gewählt werden, dass wir für \(M_2\) ein gleich grosses Drehmoment, wie \(M_4\) erhalten, nur in der anderen Richtung. Damit wirken jetzt \(M_4\) und \(M_2\) und beide heben sich auf, so dass \(M_{res}=0\).
Obschon das Drehmoment \(M_2\) an der Wurzel den Baum davon abhält, wegen des Drehmoments \(M_4\) an der Krone umzukippen, so muss die Wurzel in der Lage sein, die vertikalen Kräfte \(F_1\) und v.a. \(F_2\) auszuhalten.

Bei einer schmalen Wurzel ist die Kraft \(F_2\) viel grösser, als bei einer breiten Wurzel, denn wir können das Drehmoment \(M_2\), dessen Betrag durch \(M_4\) gegeben ist, mit viel Kraft oder viel Abstand erreichen.
Links in der Skizze haben wir einen kleinen Abstand \(a\), so dass die Kraft entsprechend gross sein muss. Rechts haben wir einen rund doppelt so grossen Abstand und die Kraft darf deshalb halb so gross sein. Wir erreichen immer noch das gleich grosse Drehmoment \(M_2\), aber mit halb so viel Kraft.
Zusammengefasst: Die Kraft des Winds \(F_4\) an der Krone hat zur Folge, dass an der Wurzel die Kräfte \(F_1\), \(F_2\) und \(F_3\) wirken. Nur so können wir sicherstellen, dass wir Kräfte- und Drehmomentgleichgewicht, d.h. \(F_{res}=0\) und \(M_{res}=0\) in allen Richtungen haben, was die Voraussetzung für ein stabiles, statisches System ist.
Mit einer breiten Wurzel ist das Kräftepaar \(F_1\) und \(F_2\) betragsmässig kleiner.
Ist die Wurzel jedoch zu schmal, übersteigt die Kraft \(F_2\) die Grenze des Materials bzw. der Haftung mit dem Boden und die Haftung gibt im Punkt \(B\) nach. Das rettende Drehmoment \(M_2\) kommt nicht zustande und der Baum kippt aufgrund des Drehmoments \(M_4\). 😮
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